Wie fühlt sich Angst an?
Engegefühl in der Brust, Schweißausbrüche, rasendes Herzklopfen, Zittern, Schwindel und das Gefühl, gleich die Kontrolle zu verlieren, umzufallen oder keine Luft mehr zu bekommen – solche Symptome können Betroffenen den Boden unter den Füßen wegziehen! Die Sorge vor einem Herzinfarkt oder einer anderen gesundheitlichen Bedrohung führt nicht selten dazu, dass sie den Notarzt rufen. Ergeben sich keine körperlichen Ursachen, sind die Betroffenen meist ratlos: Wenn keine schlimme Krankheit vorliegt, was dann? Für viele ist es zunächst kaum vorstellbar, dass es sich bei solch schweren Symptomen um eine psychische Störung handeln könnte. Tatsächlich tauchen diese heftigen körperlichen Symptome aber auch im Rahmen einer Angstreaktion auf und können sich bei einer Panikattacke bis hin zur Todesangst steigern.
Ist Angst sinnvoll?
Angst an sich ist nicht schädlich, sondern sogar sehr sinnvoll, da sie eine wichtige Warnfunktion erfüllt. Sie entsteht, wenn wir Gefahr wahrnehmen und bereitet den Körper darauf vor, im Notfall angemessen zu reagieren. Wenn unsere Vorfahren beispielsweise einem Säbelzahntiger begegnet sind, wurde unbewusst und automatisch ein Angstprogramm in Gang gesetzt. Bei einer solchen Angstreaktion wird der ganze Körper in Alarmbereitschaft versetzt und alle Energiereserven werden aktiviert: Die Muskeln spannen sich an, der Blutdruck steigt, die Pupillen verengen sich zum Scharfsehen (”Wo ist die Gefahr?”). Diese Angstreaktion war früher nötig, um vor drohendem Unheil rechtzeitig fliehen zu können – ein evolutionärer Vorteil.
Wenn Angst einschränkt
Angst ist auch in der heutigen Zeit im Alltag noch hilfreich, wenn tatsächlich Gefahr droht (z. B. bei einem Brand oder einem Raubüberfall). Bei manchen Menschen kommt es allerdings in alltäglichen Situationen zu einer Art “Fehlalarm” und das Angstprogramm wird aktiviert, obwohl keine tatsächliche Bedrohung vorliegt (z. B. beim Fahrstuhlfahren, im Supermarkt oder beim Anblick von Spinnen). Genauso können Gedanken oder körperliche Reaktionen starke Ängste hervorrufen. Manche Betroffene geraten auch aus heiterem Himmel in Panik. Aus “Angst vor der Angst” ziehen sich viele Menschen dann zurück und vermeiden entsprechende Orte, Aktivitäten oder Gedanken. Dies kann die Lebensqualität massiv einschränken und beispielsweise auch dazu führen, dass der Weg zur Arbeit nicht mehr zu bewältigen ist. Spätestens wenn sie in ihrem Alltag so massiv eingeschränkt sind, sollten sich Betroffene Hilfe suchen.
Was ist eine Angststörung?
Angststörungen sind psychische Erkrankungen, die durch übermäßige, irrationale oder unkontrollierbare Ängste und Sorgen charakterisiert sind. Diese Ängste können so intensiv sein, dass sie das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen. Angsterkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Etwa 10 % der Allgemeinbevölkerung sind davon betroffen. Man unterscheidet insbesondere zwischen Phobien, Panikstörungen und generalisierten Angststörungen.
Spezifische Phobien
Bei einer spezifischen Phobie steht die Angst im Zusammenhang mit genau beschreibbaren Objekten oder Situationen. Dies kann Tiere (z.B. Insekten, Schlangen), Umwelterscheinungen (z.B. Wasser, Stürme, Gewitter), den Anblick von Blut, Verletzungen oder Spritzen sowie besondere Situationen (z.B. enge Räume, Fahrstuhl, Zahnarzt) umfassen. Schon die Vorstellung, ihnen zu begegnen, kann eine Angstreaktion auslösen, die bis zu einem Panikanfall führen kann. Obwohl sich Menschen mit spezifischer Phobie bewusst sind, dass ihre Angst nicht angemessen ist, können sie diese nicht willentlich unterdrücken. Aus diesem Grund neigen sie dazu, angstauslösende Situationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Fachbegriffe für einige spezifische Phobien
Akrophobie: Höhenangst
Arachnophobie: Angst vor Spinnen
Aviophobie: Flugangst
Emetophobie: Angst vor dem Erbrechen
Iatrophobie: Angst vor Ärzten
Klaustrophobie: Angst vor engen oder geschlossenen Räumen
Nomophobie: Angst vor Verlust des Handykontakts
Panikstörung und Agoraphobie
Die Panikstörung ist eine psychische Erkrankung, die sich durch wiederkehrende und unerwartete Panikattacken auszeichnet. Eine Panikattacke ist eine plötzliche Episode intensiver Angst oder Unruhe, die von körperlichen und psychischen Symptomen begleitet wird. Diese Symptome können Atemnot, Herzklopfen, Zittern, Schwindel, Schwitzen, Kribbeln in Armen oder Beinen sowie ein Gefühl von Kontrollverlust umfassen. Um als Panikstörung diagnostiziert zu werden, müssen wiederholte Panikattacken auftreten und mit der anhaltenden Sorge vor zukünftigen Attacken einhergehen. Die Betroffenen können auch Verhaltensweisen entwickeln, um Situationen zu vermeiden, die ihrer Meinung nach eine Panikattacke auslösen könnten. In einigen Fällen kann sich im Verlauf der Panikstörung eine Agoraphobie entwickeln, bei der Menschen bestimmte Orte oder Situationen meiden. Hierbei kommt es zu einer „Angst vor der Angst“ und es entwickelt sich die Befürchtung, eine Panikattacke in der Öffentlichkeit zu erleiden, nicht flüchten zu können oder nur unter schwierigen oder peinlichen Umständen aus der Situation zu kommen. Deswegen werden Menschenansammlungen, Reisen mit dem öffentlichen Nahverkehr, weite Plätze oder geschlossene Räume vermieden oder nur mit Begleitung aufgesucht.
Soziale Phobie
Eine soziale Phobie ist eine psychische Erkrankung, bei der Menschen übermäßige Angst vor sozialen Situationen (darunter Gespräche und Treffen in Gruppen, Vorstellungsgespräche, öffentliche Reden, Essen oder Trinken in der Öffentlichkeit) und der Bewertung durch andere haben. Die Betroffenen fürchten sich oft vor dem Urteil und der Ablehnung anderer und wollen keinesfalls Aufmerksamkeit auf sich ziehen, indem sie sich ungeschickt oder peinlich verhalten. Sie haben die Angst, dass andere sie für nicht normal oder unzulänglich halten. Um dieser Bewertung zu entgehen, werden entsprechende soziale Situationen vermieden. Die Symptome können physischer Natur sein, wie Zittern, Erröten, Schwitzen, Übelkeit oder Unsicherheit in den Bewegungen, aber auch psychischer Natur, wie intensives Grübeln über vergangene soziale Interaktionen, übermäßige Selbstkritik und die übertriebene Sorge über zukünftige soziale Ereignisse.
Generalisierte Angststörung
Die generalisierte Angststörung zeichnet sich durch anhaltende Sorgen und Ängste bezüglich alltäglicher Angelegenheiten aus. Diese konstanten Gedanken führen zu einer Übererregung des Nervensystems, was zu Schlafstörungen, Muskelverspannungen, Unruhe und Beklemmungsgefühlen führen kann. Die Ängste manifestieren sich in verschiedenen Situationen und betreffen diverse Lebensbereiche. Typische Gedanken könnten lauten: „Mein Partner verspätet sich. Ist ihm etwas passiert?“, „Was ist, wenn ich meinen Job verliere“, oder „Kann ich in Zukunft noch meine Rechnungen bezahlen?“ Menschen, die unter einer generalisierten Angststörung leiden, können diese Sorgen nicht bewusst abschalten. Das „Sich-Sorgen-machen“ kann beispielsweise durch das Lesen eines Artikels über Verkehrsunfälle ausgelöst werden. Hierbei werden rasch Katastrophenszenarien entworfen und die Sorgen wechseln von einer zur nächsten. Um die Ängste zu vermeiden, neigen Betroffene oft zur Rückversicherung, indem sie beispielsweise den Partner anrufen, um nachzufragen, ob alles in Ordnung ist oder Listen führen, um nichts zu vergessen.
Was hilft gegen Ängste - Medikamente oder Psychotherapie?
Ängste werden in der Psychotherapie äußerst häufig thematisiert. Sie können sowohl als Symptome unterschiedlicher Störungen als auch als eigenständiges Krankheitsbild auftreten. Trotz der mitunter intensiven Symptome lassen sich Angststörungen gut durch psychotherapeutische Interventionen behandeln. Auch wenn Patient:innen zu Beginn oft nach medikamentösen Ansätzen („Beruhigungsmitteln“) fragen, sind diese häufig kontraproduktiv und sollten daher nur als letzte Option in Betracht gezogen werden. Das zentrale Anliegen ist vielmehr, die im Alltag problematische Angstreaktion zu „verlernen“. Dies gelingt besonders effektiv durch eine Kognitive Verhaltenstherapie. Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist die Konfrontation mit der beängstigenden Situation oder dem Objekt, was auch Exposition genannt wird. Dabei wird die angstauslösende Situation gezielt aufgesucht. Die Konfrontation kann schrittweise erfolgen oder es wird gleich mit der stärksten angstauslösenden Situation begonnen. Dabei werden alle Verhaltensweisen, die Sicherheit geben, unterlassen. Bei der Blut- und Verletzungsphobie wird vor der Konfrontation ein Verfahren (Angewandte Anspannung) eingeübt, um Ohnmachtsanfälle zu verhindern. Aber auch Verhaltensexperimente oder Umfragen sind ein häufig verwendetes Mittel in der Behandlung von Angststörungen.
Die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie ist überzeugend, wodurch Betroffene ermutigt werden können, mit professioneller Hilfe ihre Ängste erfolgreich zu bewältigen.
ANGST, PANIK & PHOBIE
Psychologen und Psychotherapie bei Angst, Panik & Phobie