Was ist Dissoziation?


Dissoziative Zustände erleben viele Menschen gelegentlich, zum Beispiel beim Fahrradfahren, wenn man sich nicht daran erinnern kann, wie man von einem Punkt zum nächsten gefahren ist. Oder beim Lesen eines fesselnden Buchs, wenn man um sich herum nichts mehr wahrnimmt. Es gibt aber auch Zustände, in denen sich so ein dissoziativer Zustand sehr unangenehm anfühlen kann. Häufig beschreiben Betroffene die Empfindung mit „wie neben sich stehen“, „sich wie losgelöst von der Umwelt fühlen“, „die Kontrolle über die eigenen Körperbewegungen verlieren“ oder „als wäre eine durchsichtige Scheibe zwischen einem selbst und der Umgebung“. Bei einer Dissoziation können die verschiedenen Sinneseindrücke, die motorischen Bewegungen des Körpers, die Gedanken und manchmal sogar ganze Persönlichkeitsanteile einer betroffenen Person nicht mehr zu einem schlüssigen Bild zusammengefügt werden.

Ab wann spricht man von einer dissoziativen Störung?


Wenn sich die Häufigkeit der Dissoziationen verdichtet und diese in immer mehr Situationen und immer kürzeren Abständen auftreten, kann das mit einem großen Leidensdruck bei den Betroffenen einhergehen. Die Lebensqualität kann deutlich vermindert werden. Wenn die Symptome über einen längeren Zeitraum auftreten, ist es ratsam, spezielle psychologische Diagnostik zur Feststellung einer dissoziativen Störung durchzuführen.

Wie kann man eine dissoziative Störung behandeln?


Liegt bei der betroffenen Person eine schwerwiegende Symptombelastung vor, geht es im ersten Schritt um die emotionale Stabilisierung der Person. Dazu können in der Verhaltenstherapie zum Beispiel Entspannungsverfahren genutzt werden. Dazu kann eine Psychoedukation für eine Person hilfreich sein, die aufkommenden Symptome besser zu verstehen. Sofern die betroffene Person stabil genug ist, kann sich mit den auslösenden Ereignissen und Erfahrungen auseinandergesetzt werden. Dabei können kognitive Therapiemethoden wie Konfrontationsverfahren,  die Imagery Rescripting and Reprocessing TherapyEgo-State-Therapie und EMDR zum Einsatz kommen. Die Therapie wird auf die Bedürfnisse der behandelten Person individuell angepasst. Darüber hinaus können sogenannte Skills eingeübt werden, die beim Auftreten akuter dissoziativer Symptome eigenständig von der betroffenen Person eingesetzt werden können.

Was sind die Ursachen einer dissoziativen Störung?


Gänzlich geklärt wurden die Ursachen der dissoziativen Störungen in der Forschung noch nicht. Die aktuelle Wissenschaft geht davon aus, dass negative Erfahrungen in der Kindheit oder traumatische Ereignisse sowie anhaltender Stress zur Entstehung beitragen können. Dazu kommt eine erbliche Komponente, wie sensibel eine Person auf belastende Ereignisse reagiert. Während einige Personen nach traumatischen Situationen keine schwerwiegenden Einschränkungen in ihrem Alltag erleben, reagieren andere Betroffene stärker und können unter anderem dissoziative Störungen entwickeln. Auch wie leicht eine Person hypnotisierbar oder geistig beeinflussbar ist, hat einen Einfluss.

Die verschiedenen Formen dissoziativer Störungen:


Es gibt nicht die eine dissoziative Störung, sondern eine Vielzahl an verschiedenen Beschwerden. Häufig vorkommende Dissoziativen sind:

Bewegungsstörungen:

Die willentliche Bewegung verschiedener Körperteile ist teilweise oder vollständig gestört. Die Betroffenen können z.B. nicht mehr ohne Hilfe stehen oder ihre Beine fühlen sich wie gelähmt an.

Dissoziative Amnesie:

Betroffene können sich an bestimmte Ereignisse nicht mehr vollständig oder gar nicht mehr erinnern.

Depersonalisation:

Betroffene nehmen sich selbst als unwirklich und fremd war (z.B. Gefühle wie emotionale Taubheit, sich leer fühlen, sich größer/kleiner oder leichter/schwerer fühlen, die Umwelt wie durch eine Kamera sehen, Körperteile wirken wie ferngesteuert).

Derealisation:

Betroffene empfinden die eigene Umwelt als unwirklich, verzerrt, fremd oder auch wie im Nebel (z.B. Objekte wirken viel kleiner/größer als in Erinnerung).

Dissoziativer Fugue:

Ein Fluchtzustand, bei dem die betroffene Person plötzlich ihr gewohntes Lebensumfeld verlässt. Sie kann sich während dieser Zeit weiterhin selbst versorgen und wirkt nach außen hin ganz unauffällig. Manchmal nehmen die Betroffenen eine gänzliche neue Identität während dieser Zeit an. Nach diesem dissoziativen Zustand kann sich die Person nicht mehr an die Zeit der Flucht erinnern.

Dissoziativer Stupor:

Die willentliche Bewegung von Körperteilen einer Person ist teilweise eingeschränkt oder vollständig unmöglich. Reaktionen auf Reize wie Licht, Geruch oder Temperatur können eingeschränkt sein. Die Betroffenen sprechen kaum oder gar nicht mehr. Es handelt sich nicht um einen Schlafzustand oder eine Bewusstlosigkeit. Die aufrechte Körperhaltung bleibt erhalten.

Dissoziative Identitätsstörung/multiple Persönlichkeitsstörung:

Die Persönlichkeit wird in verschiedene Persönlichkeitsanteile gespalten. Die Anteile können sich stark unterscheiden und z.B. verschieden alt sein, verschiedene Geschlechter und unterschiedliche Interessen und Vergangenheiten haben.